Gärtnertagebuch

Meerträubel

Paul Weinzerl

Im Alpinum der GARTEN TULLN wächst eine Pflanze, die zwar unscheinbar aussieht, aber einige bemerkenswerte Eigenschaften hat: Der Meerträubel, botanisch Ephedra.

Da ist erstens ihre Stellung im Pflanzenreich. Ephedra ist ein Nacktsamer und bildet zusammen mit Gnetum und der bekannteren Welwitschia aus der Namib die Ordnung der Gnetales. Entfernter sind sie auch mit Nadelbäumen, Palmfarnen und Ginko verwandt. Und ähnlich wie diese sind sie auch sehr alt, wahrscheinlich gab es sie schon vor etwa 120 Millionen Jahren, als noch Saurier die Erde beherrschten. Eine weitere Besonderheit liegt in ihrem inneren verborgen: Sie enthalten das Alkaloid Ephedrin welches medizinisch genutzt wird. Weibliche Pflanzen tragen beerenartige Zapfen, deren obere Hochblätter zu fleischigen, roten Schuppen umgebildet sind, die den Samen umgeben. Als Schutz vor Verdunstung haben sie ihre Blatter stark reduziert. Dafür bleiben die ledrigen Triebe grün und übernehmen die Photosynthese. So haben es die Meerträubel geschafft, kalte und trockene Gebiete von den Kanaren über die Täler der Südalpen bis nach China sowie die Nordamerikanischen Wüsten und sogar die chilenischen Anden zu besiedeln.Einst verbreiteten wahrscheinlich Reptilien und kleinere Saurier die Samen, heute übernehmen dies deren Nachfahren, die Vögel. Unsere Pflanze ist leider allein, daher hat sie nie Zapfen, was nicht nur wegen der Optik schade ist, sondern auch ihre genaue Bestimmung unmöglich macht. Denn alle Meerträubel-Arten sehen sehr ähnlich aus.